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Autor |
Nachricht |
Gernot Jennerwein wichtiger-Rentier-Pflege-Wichtel
Datum der Anmeldung: 20.12.2008 Beiträge: 7 Wohnort: Lustenau / Vorarlberg
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Geschrieben am: 20.12.2008, 20:00 Titel: Der Russe
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Der Russe
Die Kugel schlägt mit erbarmungsloser Wucht in mein Fleisch und der Schmerz zieht mir die Eingeweide zusammen. Ich breche zusammen, liege im dreckigen Schlamm des Schützengrabens und presse beide Hände auf die klaffende, blutende Wunde an meinem Bauch. Ich höre hysterisches Schreien neben mir, - Sanitäter! Sanitäter! Die nächsten Granatsplitter lassen das Geschrei verstummen. Meine Augen brennen und ich spüre den eisigen Wind, der durch den Schützengraben weht. Ist das jetzt mein Ende? Wird dieser verdammte Graben jetzt zu meinem Grab? Ich versuche zu kriechen. Es geht nicht, meine Beine lassen sich nicht bewegen, liegen kraftlos im Schlamm. Ich denke an meine Heimat, an die Heimat, die mich in diesen Krieg schickte. Ich werde sie nicht mehr wiedersehen, werde hier im Dreck von Sibirien vergessen sein, so wie einmal der Krieg und all seine Gefallenen vergessen sein werden.
Ich höre Stimmen. Sind es Kameraden? Nein, ich kann die Worte nicht verstehen, es ist Rusky. Jetzt werden sie mir wohl den Gnadenschuss geben, so wie einem räudigen Hund, der sein Fressen nicht mehr wert ist. Ich taste nach meiner Pistole. Ich weiß nicht, wo mein Gewehr ist. Spüre nicht, dass mein Körper auf ihm liegt.
Eine Gestalt verdunkelt den Himmel über mir. Das Maschinengewehr zielt auf meinen Kopf.
„Drück schon ab, verdammter Russe“, sagt eine Stimme, die mich erschrecken lässt, als ich merke, dass es meine ist. Sekunden vergehen. Er sieht mich mit stechenden Augen an, sagt etwas auf Russisch und senkt die Waffe.
Er zerrt mich aus dem Loch, bettet seine Feldtasche unter meinen Kopf und sagt heiser und immer wieder; „Roschdestwó! Roschdestwó!“
Als er diese Worte spricht, sehe ich ein kleines, kümmerliches Lächeln in seinem schmutzigen Gesicht. Alles dreht sich in mir. Ich verliere das Bewusstsein und merke nicht, wie mich der Russe zudeckt.
Zwei Tage später komme ich wieder zu mir. Ich bin in einem Feldlazarett. Mein Oberkörper ist in straffe Verbände gewickelt. Ich sehe eine Rot-Kreuz-Schwester, die sich über mich beugt. Langsam fällt mir das Geschehene wieder ein. Der Schützengraben, mein Fallen, der Russe und seine Worte, die ich niemals vergessen werde.
„Schwester, können sie Russisch“, stöhne ich.
„Ja, ein wenig, aber sie sollten nicht sprechen.“
„Sagen sie mir bitte, wie lautet das Deutsche Wort für Roschdestwó?
„Das bedeutet auf Deutsch Weihnachten, und das hatten wir ja Vorgestern, aber nun wird geschlafen.“
Ich schließe meine Augen, sehe das Russengesicht vor mir und flüstere:
„Roschdestwó, Roschdestwó.“ |
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