Heute möchte ich euch eine kleine Geschichte erzählen, die mir von einem Elfen berichtet wurde.
Wie ihr wisst, möchte ich unbedingt Helfer des Weihnachtsmanns werden und wie es der Zufall will, hört einer seiner Elfen bald auf, um eine neue Aufgabe im Weihnachtsdorf zu übernehmen.
Dieser Elf - sein Name ist Balduin - hat mir kürzlich erzählt, wie er seinen Glauben gefunden hat. Seinen Glauben an etwas, dass er noch nie zuvor gesehen hatte: Menschen.
Balduin ist vor 200 Jahren im Weihnachtsdorf geboren. Sein Vater arbeitet noch heute in der Werkstatt des Weihnachtsmanns, seine Mutter backt Plätzchen für all die fleißigen Elfen. Wie alle anderen Kinder ging auch Balduin in die Schule und lernte alles, was ein Elf wissen muss: wie Spielzeug produziert wird, wie man Rentiere pflegt, welche Plätzchen am besten schmecken und natürlich musste er auch alle Sprachen dieser Welt lernen, wenn er später die Wünsche der Kinder an den Weihnachtsmann weitergeben wollte.
Allerdings war Balduin anders als seine Klassenkameraden, denn er glaubte einfach nicht daran, dass es die Menschen wirklich gab. Obwohl jedes Jahr zur Weihnachtszeit alle im Dorf fleißig Geschenke verpackten und auf den Schlitten luden, hielt Balduin die Kinder dieser Welt für reine Phantasie - schließlich hatte er noch nie ein Kind gesehen, außer auf den Fotos und Videos im Unterricht.
Also beschloss er seinen Eltern zu sagen, dass er lieber kein Spielzeug produzieren möchte. Sein Vater war darüber sehr erschrocken und fragte Balduin nach dem Grund seiner Entscheidung. "Wer glaubt denn schon an Menschen?", antwortete er und fügte hinzu: "Ich habe noch keinen Beweis bekommen, dass es sie wirklich gibt!". Sein Vater war stutzig, schließlich lernte man in der Schule alles über die Menschen und auch die Erde, die sie mit den Elfen im Weihnachtsdorf teilen. "Hast du denn nicht all die Bilder und Videos von ihnen und ihren Städten gesehen?" fragte er und zückte ein Foto. Auf dem Bild war ein Kind zu sehen, dass unter dem Weihnachtsbaum saß und sich über einen riesigen Teddy-Bären freute, den es zum Fest bekommen hatte. "Den habe ich hergestellt. Der Weihnachtsmann hat mir das Bild als Lob für meine Arbeit geschenkt." Balduin blickte das Foto an und war nicht beeindruckt: "Das ist kein echtes Kind, sondern ein verkleideter Elf.", antwortete er voller Überzeugung und man sah ihm an, dass er traurig war. "Ich fände es wirklich schön, wenn wir wirklich jedes Jahr Geschenke für echte Menschen herstellen würden, aber leider gibt es sie nicht!"
Da sein Vater sich nicht mehr zu helfen wusste, fragte er den Weihnachtsmann um Rat. Der lächelte freundlich und wirkte nicht überrascht, fast so, als hätte er es erwartet. "Bring deinen Sohn morgen zu mir.", sagte er und legte seine Hand auf die Schulter des aufgeregten Elfen: "Keine Sorge, Balduin wird schon bald an die Menschen glauben!"
Am nächsten Tag saßen Balduin und der Weihnachtsmann vor dem Kamin und tranken gemeinsam eine heiße Schokolade. Nach einem genüsslichen Schluck aus der großen Tasse, kraulte der Weihnachtsmann seinen Bart und zwinkerte dem Jungen zu: "Ich wüsste zu gerne, wie dieses köstliche Getränk entsteht!". "Ganz einfach!", begann Balduin voller Elan, "Erst gibt die Kuh die Milch und dann...". Bevor er den Satz beenden konnte, blickte ihn der alte Mann mit großen Augen an und fragte: "Die Kuh? Was soll das denn sein?". Damit hatte der kleine Elf nicht gerechnet. Nach einer kurzen Pause begann er leise und etwas unsicher mit seiner Erklärung: "Aber Weihnachtsmann, du kennst doch wohl Kühe! Sie stehen auf der Weide und geben Milch. Außerdem machen sie lustige Geräusche, es klingt wie 'MUUUH'." Bei dem Tiergeräusch schob Balduin die Lippen nach vorne und gab sich größte Mühe, wirklich wie eine Kuh zu klingen.
Der Weihnachtsmann schaute ihn zweifelnd an und sagte, so ein Tier habe er noch nie zuvor gesehen. Balduin war überrascht, immerhin gab es im Dorf eine große Weide und viele Ställe. Hier lebten neben den Rentieren unter anderem auch Kühe, Ziegen und Schafe; wie konnte der Weihnachtsmann sie nur übersehen haben? Da hatte Balduin eine zündende Idee, griff den Weihnachtsmann am Arm und sagte: "Komm mit, ich zeige dir die Ställe und all die Tiere die darin leben." Der Weihnachtsmann - der natürlich ganz genau von den Kühen wusste - freute sich über seine gelungene List und folgte ihm zu den Stallungen.
"Sieh genau hin, da vorne stehen die Kühe!" rief Balduin aufgeregt. "Sowas habe ich ja noch nie gesehen!", staunte der Weihnachtsmann und grinste dabei. "Nur weil du sie noch nie gesehen hast, können sie doch trotzdem existieren!", entgegnete Balduin und fügte noch hinzu: "Man kann ja nicht immer alles gesehen haben."
Da begann der Weihnachtsmann laut sein typisches 'HO-HO-HO' auszustoßen und lachte, dass seine Wangen sich rot färbten und fast die Farbe des Mantels annahmen und auch Balduin verstand, dass der Weihnachtsmann die ganze Zeit von den Kühen wusste und ihn reingelegt hatte. "Jetzt verstehe ich!", sagte er voller Stolz: "Auch wenn ich noch nie einem Menschen begegnet bin, existieren sie trotzdem wie du und ich." Der Weihnachtsmann hatte es mal wieder geschafft und bevor er sich wieder an die Vorbereitungen für das große Fest machte, gab er Balduin noch etwas mit auf den Weg, dass er bis heute nicht vergessen hat:
"Mein kleiner Freund, Sehen heißt nicht glauben, aber dein Glauben heißt etwas zu sehen!"
So wie Balduin nach diesem Tag an die Menschen glaubte, glauben seit jeher alle Elfen an die Menschen und mittlerweile mischen sie sich gerne unter uns, auch wenn wir es nicht immer sehen. Im Weihnachtsdorf gibt es auch Menschen und vielleicht bin ich bald einer von ihnen.
Ich hoffe, euch hat die Geschichte so gefallen wie mir und ich würde mich freuen, wenn ihr mir eure Meinung dazu sagt.