Beitrag vom 15.12.2010, 12:12 --- Poet --- : 248Weihnachten <--- klicken für "schöne" Version mit Grafik
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Weihnachten
[i:6b494fa376](Hermann von Lingg)[/i:6b494fa376]
Hoher Mittag war es, und ich lag
Einsam in der Campagna Roms,
Neben mir Grab und Sarkophag,
Vor mir das Wogen des Stroms,
Und überall sonniger, holder Tag.
O welche Sprache reden hier und wüßten
Die Steine, welche Worte
Vernahmen sie! Von Lippen, die sich küßten,
Von Lippen, die des Fiebers Glut verdorrte,
Worte von Geist und Freude sprühend,
Geflüsterte, von Leidenschaft erglühend,
Worte, die in letzten Willen niederlegten
Weltgeschicke, Zeiten überragende,
Worte, letzte, klagende,
In Schmerz und Wahnsinn ausgehauchte,
Worte, zornvoll wie in Blut getauchte! -
Weihnachten war,
In goldnen Garben neigte das Jahr,
Das südliche sich, und ich gedachte
Der fernen Heimat, und wie dort
Dämmrung und Nebel das Land umnachte,
Und wie die Tage schleichen fort
Voll Schwermuth - da mit einemmale
Vernahm ich fremde, wilde Gesänge,
Es rauscht und quillt in den Bogen
Der Aquäducte, und im Sonnenstrahle
Im glühenden heraufbeschworen
Erblickt' ich Rom, das Rom der Imperatoren,
Mit seinen Tempeln und Siegesthoren
Todtenhaft ernst und marmorfahl,
Und näher ertönten und lauter und wilder,
Posaunen, Hörner und Jubelrufen;
Ich sah den Triumphzug kommen, die Götterbilder.
Von Priestern getragen hinan die Stufen
Zur Säulenhalle, die Straße scholl
Von ehernen Schritten, von Rossehufen
Und Wagengeroll,
Dem Cäsar folgten mit Kränzen und Kronen
Die beutebeladnen Legionen,
Die Waffen blitzten, es schwankten Trophäen,
Es jauchzte das Volk, und ich sah die Blicke,
Die blutdurstheißen, nach Opfern spähen,
Nach hingebeugter Besiegter Genicke.
Es naht der Zug, und in der Schaar
Gefangner bin ich selbst, ein blonder Barbar,
Verwundet, gefesselt, zum Tode bestimmt,
Bestimmt in unerhörten Leiden
Die Augen des rasenden Pöbels zu weiden.
Sie höhnen mich, aber wie hochergrimmt
Mein Herz auch pocht, ihr Höhnen und Spucken
Ertrag ich still hinbrütend, ich fühle
Die Schmach nicht mehr, mein letztes Zucken
Wird bald ihr Fest sein, da gewahrt
Mein Blick hoch über dem Gewühle
Das Antlitz eines Erhabnen, so mild
Und mächtig zugleich! Das reinste Bild
Vollkommner Menschheit! und jetzt erhebt
Der Hohe wie richtend den Finger,
Da leuchtet's am Himmel, die Erde bebt,
Es stürzen ein die Zinnen, die Zwinger,
Die Obelisken, die Säulen, es sinkt in Staub
Das Werk der Jahrhunderte, nur allein
Das Bildniß nicht, es ist höchstes Sein
Und Leben geworden, und während der Raub
Von allen an allen, und während die Hand
Der Zerstörung erlahmt, sieh da, das Land
Der Heimat seh ich wieder, seh es winken
Durch Tannendunkel glanzerhellt,
Es kommt die Nacht, und Kerzen blinken,
Festfreude leuchtet, auf eine Welt
Der Kindheit und Unschuld sieht nun das Bild
Sieht jenes Antlitz ernst und mild
Hernieder aus den Sternenräumen
Herniederschaun aus den Christnachtbäumen.
Dort aber, von den Aeonen,
Dort ragt es ewig, als die der Erde
Gegebne Zeugschaft vom ersten Wohnen
Befreienden Geistes auf ihr, und daß dauern werde
Wenn sonst kein Denkmal von ihr bliebe,
Dauern bis zum letzten Atom die Liebe.
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
---------------------------------------------------------------------------