in weißem Kleid und Schleier, mit Engelsflügeln
und Sterndiadem, dunkeläugig, von orientalischer
Schönheit, in der Linken einen Tannenzweig haltend,
wendet sich an die Großen:
Ich bin aus einem hellen Lande,
da wächst und blüht ein Baum, um den
wir all in stralendem Gewande
mit silberweißen Flügeln stehn.
Der Baum ist grün, grün ohne Ende,
und seine Höhe mißt kein Sinn,
und seine Zweige sind wie Hände,
die strecken sich nach Jedem hin.
Der Baum trägt viele tausend Kerzen,
und jede ist der andern gleich,
und ihre Flammen sind wie Herzen,
die leuchten klar und warm und weich.
Er hängt voll Gold bis in die Spitze,
und seine Jahre zählt kein Mund,
und seine Wurzeln sind wie Blitze,
die dringen in den härtesten Grund.
O komm, komm! tausend Stühle warten,
dein goldner Apfel pflückt sich leicht,
denn Jedem offen steht der Garten,
wer sinnt, wie man den Baum erreicht.
[b:4315092704]Ruprecht[/b:4315092704]
hat inzwischen die Teller der Kinder mit
Pfefferkuchen, Nüssen u. s. w. gefüllt
und tritt nun zu der kleinen Detta:
Möchtest du wol in den Garten,
wo so schöne Aepfel warten?
Ja? - Dann du mußt fein
achtsam sein.
Mußt dich nicht so wild geberden,
mußt so wie die Christfee werden;
es ist garnicht schwer,
kuck mal her!
Brauchst nur auf dich aufzupassen,
dir zwei Flügel wachsen lassen,
bis du groß bist - ah,
dann sind sie da.
Und halt ihm ja das Herzchen rein,
daß seine Flügel recht gedeihn
und glänzen.
Dann darfst du über Tag und Jahr
dir dein Haar
mit Meinem Kranz bekränzen.
Darfst dann selig sein auf Erden,
wirst dann selbst ein Lichtlein werden
auf dem goldnen Baum;
wirst das Blümlein dir gewinnen,
dem wir jetzt ein Lied beginnen,
Lied aus Tag und Traum.
[b:4315092704]Sie hebt an, Alle stimmen ein und singen nach bekannter Volksweise das Weihnachtslied:[/b:4315092704]
Uns ist ein Reis entsprungen
aus einer Wurzel zart,
wie uns die Alten sungen,
von Jesse kam die Art;
und hat ein Blümlein bracht,
mitten im kalten Winter,
wol zu der halben Nacht.
Das Blümlein war so kleine
und duftet doch so süß,
mit seinem milden Scheine
verklärt's die Finsternis;
und blüht uns immerdar,
tröstet die Menschenkinder,
holdselig, wunderbar.
Ein Stern mit hellen Gleisen
hat es der Welt verkünd't,
den Kindlein und den Weisen,
wie man dies Blümlein find't;
nun ist uns nicht mehr bang,
seit aus der dunklen Erde
solch köstlich Knösplein sprang.
Fühlt denn, wie aus zweien Landen
Bruder sich und Schwester fanden:
Ruprecht, gieb mir deine Hand!
Ich aus Morgen, Er aus Abend,
Ich im Silberkleid, Er trabend
in verwittertem Gewand.
Beugt euch Ihm, dem Ueberlegnen:
er kann wirken, ich nur segnen,
er bringt Frucht, ich will nur Licht.
Ich aus Süden, er aus Norden,
seine Welt ist stark geworden -
[b:4315092704]Ruprecht[/b:4315092704]
ihr den Mund zuhaltend:
ja, daß sie mich fast unterkrigt;
Schwesterchen, blamir mich nicht!
Komm! Lebt wohl bis nächstes Jahr,
lebt Alle wohl -
[b:4315092704]Die Christfee[/b:4315092704]
mit dem Zweige Abschied winkend: