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Der kleine Esel Christopher

 
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xmas-Dream
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Datum der Anmeldung: 12.09.2005
Beiträge: 1198
Wohnort: Zwischen Abendrot und Morgenrot...Quatsch: Baden-Württemberg Nähe Stuttgart

Geschrieben am: 11.12.2005, 10:07    Titel: Der kleine Esel Christopher Top 2318: Der kleine Esel Christopher Antworten & Zitieren

Der kleine Esel Christopher

"Mama," sagte Christopher und erschrak furchtbar. Jetzt werdet ihr mit Recht sagen: Warum erschrickt der denn vom Mama-Sagen. Dazu müsst ihr wissen: Christopher ist ein kleiner Esel. Und ihr solltet auch wissen, dass Esel und Tiere überhaupt normalerweise nicht reden können. Normalerweise. Denn es gibt einen Tag oder besser: eine Nacht, eine Einzige nur im ganzen Jahr. Da können die Tiere reden. So sagt man. Sie können dann so reden, dass wir Menschen sie verstehen in dieser einen Nacht, dieser einzigen Nacht im ganzen Jahr. Einen besonderen Namen hat diese Nacht. Heilige Nacht heißt sie.
Und wenn der kleine Esel Christopher "Mama" sagt, ganz klar und deutlich und ich das auch verstehe - dann habe ich euch entweder ganz schön was vorgelogen - oder aber. Ja, oder aber die Geschichte vom kleinen Esel Christopher spielte sich genau in dieser einen Nacht ab.

"Mama," sagte also der kleine Christopher. "Ja, mein Kind," sagte die Mama. Sie merkte, dass ihr kleiner Christopher ganz schön von seinem ersten Wort erschrocken war. "Mama, was ist denn das? Ich kann ja sprechen." "Aber Christopher", sagte die Mama. "Du und ich, wir können doch schon immer sprechen". "Ja sicher, aber das ist doch ganz anders.", Sagte Christopher. "Sonst, wenn wir uns unterhalten auf eselisch, dann können nur wir Esel uns verstehen. Aber heute, heute rede ich doch ganz anders, Mama. Du, was ist denn los?" "Tatsächlich," sagte die Mama. " Das habe ich noch gar nicht gemerkt. Dann muss heute Nacht wieder diese besondere Nacht sein.“ „Eine besondere Nacht?“ Christopher wurde ungeduldig. „Ja,“ sagte die Mama. „Früher, da war das nicht so. Bis diese eine Nacht war. Damals vor ein paar Jahren... “
Mama Esel wurde etwas nachdenklich. Aber Christopher stupste sie mit seiner weichen, feuchten Schnauze an und bat: „ Bitte Mama, erzähle.“ „Also gut,“ sagte die Mama. „Alles fing damit an, dass ich wie jeden Tag gelangweilt in meinem Stall stand. Langweilig war das. Immer da drinnen im Dunklen und im Gestank. Und wenn ich mal raus durfte, dann nur, um ein paar Schritte zu gehen. Du weißt ja: Von uns Eseln sagen die Menschen, dass wir ein bisschen faul sind. Also träumte ich wieder mal vor mich hin. Und weil es gar zu langweilig war, überlegte ich mir, wie ich mich draußen auf der Strasse bewegen konnte, dass es nicht langweilig ist“

Plötzlich flog die Stalltür auf. Der Zimmermann Josef kam hereingestürmt. Normalerweise war der Herr Zimmermann immer höflich. Aber heute musste irgendwas komisches lossein. „Auf, du blöder Esel,“ schrie er mich an. „Dir soll’s auch nicht besser gehen als uns!“ Dann band er mich los und führte mich hinaus. „Dieser Kaiser in Rom, der kann den Kragen auch nicht voll genug bekommen“, brummte Herr Zimmermann in seinen Bart.“ Ausgerechnet jetzt müssen wir nach Bethlehem. Ausgerechnet jetzt will der Herr Kaiser in Rom uns in Listen eintragen. Weißt du wie weit es ist nach Bethlehem?“ „Iah“ sagte ich und dachte gar nicht daran, dass di Menschen uns Esel ja gar nicht verstehen können. Dann kam die Verlobte von Herrn Zimmermann und setzte sich einfach auf meinen Rücken. Also, ich kann’s dir sage: wenn die arme Frau mir nicht leid getan hätte in ihrem Zustand: Ich hätte glatt den Dienst verweigert. So sauer war ich. Aber ich versuchte der Sache was gutes abzugewinnen: endlich kam ich mal aus dem engen Stall raus und aus diesem Nest Nazareth.

Zuerst war es noch ganz schön und angenehm. Langsam ging die Sonne hinter den Bergen auf. Es war herrlich kühl, und der Morgenwind spielte in meiner Mähne. Aber schnell wurde es warm und wärmer. Und bald schon floss mir der Schweiß wie ein kleiner Bach über den Rücken. Nein, ich will ja nicht klagen. Aber die Verlobte von Herrn Zimmermann, die kam mir vor, als wenn sie von Minute zu Minute schwerer würde. Und die Strasse wurde steinig und steiniger und steiler und steiler. Kurzum: es wurde immer unerträglicher. Warum muss denn alles immer klein und einfach anfangen und dann immer schlimmer und schwieriger werden?

Aber Gott sei Dank: Jeder Tag geht einmal zu Ende. Endlich wieder kühler. Endlich war eine Rast in Sicht. Dachte ich. Herr Zimmermann dachte das leider nicht. Er ging und ging und ging. Und seine Verlobte wurde au meinem Rücken schwer und schwerer und die Nacht wurde kalt und kälter und dunkel und dunkler. Schließlich war es so dunkel, dass ich nicht einmal mehr den Huf vor Augen sehen konnte. Frag mich nicht, wie Herr Zimmermann in dieser Dunkelheit überhaupt noch irgendetwas sehen konnte. Ich dachte immer, dass Katzen in der Nacht besonders gut sehen. Vielleicht sehen Menschen und besonders Herr Zimmermänner ja noch besser als die Katzen in der Nacht. Auf jeden Fall führte Herr Zimmermann mich sicher auf der stockdunklen staubigen Strasse - bis wir alle drei gegen einen Maulbeerbaum geknallt sind. Da wurde mir klar, dass Herr Zimmermanns Augen wohl doch auch nicht besser sehen in der Nacht als die Augen einer Eselin. Meine Güte, ging es mir durch den Kopf. Wir werden uns doch nicht verlaufen haben. Schließlich war es ganz schön kalt geworden. Herr Zimmermann würde es nicht wagen, mich und seine Verlobte und sich unter freiem Himmel übernachten zu lassen. Zumindest ein Stall für mich sollte wohl schon drin sein. Und als ich noch so dachte, da sagte Herr Zimmermanns Verlobte plötzlich: „Da hinten ist ein Lichtschimmer zu sehen!“ Tatsächlich, ein winziges Leuchten in der Nacht. Ein Winzig kleines Licht nur. Und doch machte es mir Mut. Und ich hatte schon den Duft von frischem Heu in der Nase: Bald gibt’s Ruhe und Schlaf und ein warmes Nachtlager für mich!

„Los, Christa“, sagte Herr Zimmermann und zog mich weiter. Vom warmen Stall träumen kannst du später. Jetzt müssen wir erst mal ein Bett für Maria finden. Vielleicht wird sie schon heute Nacht ihr Baby bekommen. Und da wäre ein Stall ja wohl nicht so ganz das Richtige... also Christa, los, au geht’s. Ich trabte weiter. Und weil es mir wieder mal langweilig wurde und die Frau au meinem Rücken auch immer schwerer zu werden schien, plapperte ich meinen Namen vor mich hin. Wieder und wieder und wieder. Christa, Christa, Christa. Ich weiß, für die Menschen muss sich das angehört haben wie Ia, Ia, Ia. Aber ich kann ja nichts dafür, dass die Menschen uns Esel nicht verstehen. Ich dachte daran, als ich noch ganz klein war. Und als Herr Zimmermann mir den Namen gegeben hat. „Weißt du,“ hatte Herr Zimmermann damals gesagt und mir zärtlich die Mähne gekrault“, ein Name ist mehr als ein Wort. Ich werde dich Christa nennen. Das heißt: Die das Heil trägt. Die das heil trägt - ich lachte vor mich hin: im Moment spürte ich nur eine schwere Last auf meinem Rücken. Aber: mein Name, der gefiel mir.

„Macht dass ihr fortkommt“, rief der erste Wirt. Herr Zimmermann hatte an seine Tür geklopft. Es war ein großes, vornehmes Wirtshaus. „Ich hab keinen Platz für euch!“ und der vornehme Wirt knallte die Tür vor uns zu. Auch beim zweiten und beim dritten und beim vierten und beim fünften Gasthof ging es uns so. Mal hieß es „Es ist alles voll bis unters Dach“. Mal sagte jemand: „Ausländer und Lumpenpack kommt bei mir nicht ins Haus“ und einer meinte: „Schade, schade, ich hätte das Geld für die Übernachtung gut gebrauchen können, aber tut mir leid, alles voll“. Zack, dann knallte wieder die Tür. Und ging wieder auf. Ein freundliches rundes Mondgesicht blickte heraus und eine Piepsstimme sagte: „Einen Stall hätten wir noch, draußen vor dem Dorf.“ „Das reicht!“ Brüllte Herr Zimmermann. „Das reicht schon für uns,“ sagte seine Verlobte Maria. „Komm, Mann. Da gehen wir hin. Wir finden heute nichts andres mehr. Und es wird Zeit.“ Da hatte Maria recht. Es wurde höchste Zeit. Ich brauchte auch ein Nachtlager. Nur: an MICH hatte Maria nicht gedacht. Das war en Betrieb in dem engen Stall. Erst liefen alle herum wie im Ameisenhaufen. Nach links und rechts, nach oben und unten, nach hinten und nach vorne. Ich schüttelte den Kopf und sagte „O Maria.“ Aber du weißt ja: Die Menschen verstehen uns Esel nicht so richtig und sie dachten, ich sagte nur „I-A“. Das wurde mir zu viel. Ich musste mir die Beine vertreten. Aber kaum war ich draußen vor dem Stall, da sagte ein kleines, weißes Wesen zu mir mit einer piepsenden Stimme: „Na, hast du dich auch verlaufen?“ Ein kleines Schäfchen stand vor mir mit rotgeheulten Augen.

Na, sagte ich. Irgendwie komme ich mir heute auch so vor: Einsam und verlassen. Aber warte mal, vorhin, als wir aus dem Dorf hier zum Stall gegangen sind, da hab ich ein paar Menschen gesehen. Und ein paar wie du waren auch dabei. Komm mit. Wenn du willst, dann suchen wir deine Freunde und deinen Hirten zusammen. Das kleine Schäfchen und ich gingen schweigend nebeneinander her. Alles war so still. Über uns funkelten die Sterne. Kein Windchen wehte über das Gras und den Staub am Weg. Nur das Schaf neben mir schluchzte von Zeit zu Zeit. Dann nach ein paar Minuten hörten wir in der Ferne das Blöken der Herde. „Endlich“, dachte ich. Jetzt werden sich die beiden im Stall auch beruhigt haben und krieg meinen wohlverdienten Schlaf. Aber Pustekuchen. Was dann passierte, das lässt sich nicht mit Worten beschreiben. Mitten in die Stille dieser Nacht, mitten in das Blöken der Schafe, mitten in das Funkeln der Sterne passierte es. Es war wie Musik. Eine Musik, die ich noch nie gehört hatte. Und dann wurde es hell. Heller als am hellsten Tag war es. So, als ob mit einem Schlag die Sonne am Himmel stehen würde. Ich musste die Augen zumachen, so sehr blendete mich das Licht. Und dann begann jemand zu singen.

Und dann wurde es wieder still. Kein Laut war mehr zu hören. Ich machte die Augen wieder auf. Und konnte mich gerade noch durch einen Sprung zur Seite retten. Sonst hätten die heranstürmenden Hirten mich umgerannt samt der Herde. Das kleine Schaf an meiner Seite suchte ängstlich Deckung. Die Hirten tanzten und jubelten und sangen vor Freude. „Habt ihr das gehört?“, fragte einer. „In unserem Dorf, in Bethlehem in einem Stall soll der Retter geboren sein. Das Heil der Welt.“ Die Hirten rannten an mir vorbei. Sie sahen mich gar nicht. „Da ist mein Hirte“, blökte das kleine Schaf neben mir und schon war es mit den Hirten in der Nacht verschwunden. „So ein Tag, so wunderschön wie heute“, hörte ich einen der Hirten noch rufen. Dann verhallte das Singen und Lachen in der Dunkelheit.

Moment, sagte ich vor mich hin und erschrak ganz fürchterlich. So wie du vorhin, mein Sohn. Denn ich hörte meine Stimme - nicht in eselisch, sondern so, wie die Menschen reden, so sagte ich „Moment“. Wenn da in einem Stall in dieser Nacht ein Kind zur Welt kommt - dann ist das doch - unser Kind!“ Ich rannte so schnell ich konnte Richtung Dorf. Das musste ich sehen. Schon von weitem sah ich den Schin von Lampen aus der Tür des Stalls in di Nacht leuchten. Und dann war ich da. Die Hirten waren schon längst drin im Stall. Die sollten es nur wagen, es sich auf meinem Stroh gemütlich zu machen. Aber mein Stroh schien sie gar nicht zu interessieren. Sie standen bloß da und schauten sich das Baby an, das Herr Zimmermann in einen Futtertrog gelegt hatte. Nun ja, dann fällt mein Abendessen eben heute aus, dachte ich. Da stupste mich etwas an der Seite. Es war das kleine Schaf, das mir vorhin seine Geschichte so jämmerlich berichtet hatte. Es strahlte vor Glück, nickte mit dem Kopf und sagte „das ist mein Hirte“. Ich weiß nicht, ob das Schäfchen seinen Hirten gemeint hatte. Vielleicht meinte es auch das Kind im Futtertrog. Ich weiß es nicht mehr genau.

Dann gingen die Hirten wieder. Herr Zimmermann kam auf mich zu und führte mich in eine Ecke des Stalls. Dort lag, wie ich erst jetzt bemerkte, ein alter Ochse im Stroh und döste vor sich hin. Das konnte ja eine tolle Nacht werden. Herr Zimmermann kraulte mir die Mähne. „So, Christa, sagte er. „Nun ist dein Name wahr geworden.“
Ich nickte und sagte „die das Heil trägt, Christa“. Herr Zimmermann schüttelte den Kopf. „Ich glaub’ ich brauch ein bisschen Schlaf. Gerade hab’ ich gemeint, unsere Eselin hat ihren Namen gesagt. Dann legte her Zimmermann sich hin. Und bald war auch di junge Mutter eingeschlafen. „Komisch,“ brummte der alte Ochse neben mir. Mein Besitzer, der Gastwirt Hulifus hat mal was über uns erzählt.“ „So, sagte ich. „Über uns? Über dich und mich?“
„Ja,“ brummte der alte Ochse. „Es wird eine Zeit kommen, da wird ein Kind geboren werden. Menschen und Tiere, die werden sich verstehen. Niemand führt mehr Krieg gegen den anderen. Der Wolf und das Schaf, die werden zusammen zur Weide gehen, Kuh und Bär werden miteinander Gras fressen. Ochse und Esel werden den Futtertrog ihres Herrn kennen.“ „Den Futtertrog?“ fragte ich und es wunderte mich schon gar nicht mehr, dass ich auch den Ochsen verstehen konnte. „Ja,“ brummte der Ochse. „Und es wird Friede sein“.

„Und seit dieser Nacht können die Tiere miteinander reden?“ Fragte Christopher. Die Eselmama nickte „dann verstehe ich nur nicht, warum es die Menschen gar nicht merken!“
Vielleicht merken sie’s nicht, weil sie lieber laut sind als leise. Weil sie lieber an Krieg denken als an Frieden. Oder weil sie’s einfach nicht glauben wollen.

c harald beck
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