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Weihnachten wird abgeschafft (Gabriele Lins)

 
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xmas-Dream
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Beiträge: 1198
Wohnort: Zwischen Abendrot und Morgenrot...Quatsch: Baden-Württemberg Nähe Stuttgart

Geschrieben am: 02.12.2006, 06:50    Titel: Weihnachten wird abgeschafft (Gabriele Lins) Top 6950: Weihnachten wird abgeschafft (Gabriele Lins) Antworten & Zitieren

Weihnachten wird abgeschafft (Gabriele Lins)

Hat das ganze Theater mit Baum und Krippe und Singsang noch einen Sinn?


In diesem Jahr beschloss Patrick Heinbeck das Weihnachtsfest abzuschaffen. "Das ganze Theater mit Baum und Krippe und Singsang hat eh keinen Sinn", erklärte er seiner Familie. Die war entsetzt, doch Patrick ließ sich nicht erweichen.

"Aber einen Tannenbaum stellen wir trotzdem auf", forderte Tochter Jessy, und das wenigstens wurde ihr gewährt.

Am Tag vor Heiligabend schmückte der Vater zusammen mit seinen Kindern eine Tanne mit Kugeln und Kerzen, aber kein einziger Engel schwebte zwischen den grünen Zweigen.
"Weihnachtslieder dürfen wir aber doch hören", fragte Pit, "denn die gehören dazu."

"Natürlich nicht, Junge. Wenn wir nicht Weihnachten feiern, brauchen wir das alles nicht."
"Aber wie heißt dann unser Fest?" wollte Jessy wissen. Der Vater überlegte kurz. "Na, wir feiern ein Fest der Liebe und der Lichter." "Aber Weihnachten ist doch auch ein Fest der...". "Nun beeilt euch ein bisschen!" unterbrach sie ihr Vater schroff.

"Aber die Krippe von Oma Marga - soll die etwa eingepackt im Keller liegen bleiben?" Jessy begann heute all ihre Sätze mit einem ´aber`. "Na gut", gab der Vater nach, "die Krippe stammt schließlich noch von meiner Großmutter. Statt der üblichen Figuen kannst du ein paar Puppen aus deiner Kleinkinderzeit hineintun."
Jessy schnaubte verächtlich: "Püppchen in einer Krippe, ich fasse es nicht!" - - -

Den Heiligen Abend feierten die Heinbecks wie immer und doch anders. Auf dem festlich gedeckten Tisch mit dem köstlich duftenden Braten standen wie sonst auch violette Duftkerzen, deren ruhig brennende Flammen warme Gemütlichkeit verbreiteten. Unter dem Baum lagen die Geschenke. Statt der Weihnachtslieder hörten sie ein Konzert, aber das Weihnachtsoratorium war es nicht.

"Ich weiß nicht", meinte die Mutter bedrückt, "irgendwas fehlt mir heute." Forschend sah sie zu ihrem Mann hin. Der wusste genau, was sie meinte, äußerte sich aber nicht, sondern hob sein Glas und sagte kernig: "Zum Wohl!"

"Nein, wohl war es der Familie ganz und gar nicht! Pit meinte leise, die Stimmung sei irgendwie unehrlich.

Nach dem Essen setzte sich Patrick behaglich in seinen Sessel und schlug sein neues Buch auf, aber die Zeilen verschwammen vor seinen Augen. Merkwürdige Gedanken drängten sich ihm auf. Er dachte an die vergangenen Weihnachtsfeste und hörte in seinem Inneren die alten vertrauten Lieder. Schließlich schlief er ein und träumte.

In seinem Traum stellte Jessy die Krippenfiguren in den hölzernen Stall und summte dabei die Weise von Maria, die durch einen Dornwald geht, vor sich hin. Dann packten sie ihre Geschenke aus, und die friedliche Atmosphäre im Zimmer hüllte sie alle wie in einen wärmenden Mantel.

Als er aufwachte, lag sein Buch auf dem Boden. Er legte die Hand auf seinen Magen. War es das gute Essen, was ihn so drückte? Nein, er wusste sofort, dass es etwas anderes war, das ihm beinah die Luft abschnürte.

"In unserer Klasse glauben Viele nicht mehr an Gott", sagte Pit gerade zu seiner Mutter, "Papa ist wenigstens konsequent und steht zu seinen Ansichten."

"Aber i c h glaube noch an Gott", hörte Patrick seine Frau sagen, "ich war nur zu feige mich aufzulehnen, wegen diesem friedvollen Gefühl, das ich gerade heute nicht missen wollte. Ich schäme mich so."

"Bitte, verzeiht mir", sagte Patrick niedergeschlagen, "ich weiß selbst nicht recht, was mit mir los war. Ich habe mich als Pascha aufgespielt und euch so richtig an die Wand gedrückt. Aber die ganze Zeit hat in mir eine Stimme gesprochen, und zwar mit großer Intensität, und nun weiß ich wieder, was gut und richtig für mich ist."

Er stand auf und suchte die Krippenfiguren, aber merkwürdiger Weise standen sie schon im Stall. Jessy zwinkerte ihm zu. "Du hast gar nicht gemerkt, dass ich sie wie jedes Jahr hineingestellt habe."

"Ein Glück", Pit seufzte wie erlöst, "Vater ist wieder normal!"
"Was heißt hier normal", sagte seine Mutter ernst, "Leute, die Weihnachten nicht vor der Krippe und unter dem Stern Bethlehems feiern können, sind manchmal bessere Menschen als die frommen Beter und Stille-Nacht-Sänger."

"Genau", Pit nickte, "das hat unser Lehrer neulich auch gesagt,
Gott sieht nicht auf die Fromme-Sprüche-Macher, sondern er mag gerade die Sünder, wenn sie ehrlich vor sich selbst sind."

Später sangen sie "Tochter Zion, freue dich..." und "Stille Nacht", und den Mund des Jesuskindes in der Krippe umspielte ein wissendes Lächeln. Jessy glaubte, es schaue sie ganz anders an als sonst, aber sie sagte nichts.
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